Weinwerk

Spass mit Zahlen


Dienstag, 31. März 2020

Im Deutschlandfunk gibt es die schöne Rubrik "Denk ich an Deutschland...". Das tun wir jetzt auch mal. Ein schönes Tool dafür (und für vieles mehr) ist Google Trends. Man kann damit nachprüfen, welche Suchanfragen von Relevanz sind, und dadurch indirekt, worüber Menschen so nachdenken. Schauen wir mal, worüber sich Deutschland so Gedanken macht in diesen verrückten Zeiten.

Suchanfragen in Deutschland der vergangenen 30 Tage im Vergleich: "Atemschutzmasken selber nähen" (blau) vs. "Urlaub Ostsee" (rot)

In der oberen Grafik vergleichen wir die Suchanfragen nach "Atemschutzmasken selber nähen" und "Urlaub Ostsee", und zwar deutschlandweit. Es ist wenig überraschend: die Kurven verlaufen reziprok. Im Augenblick machen sich nur wenige Menschen Gedanken über einen Ostseeurlaub. Das Interesse daran erstarb ziemlich genau zu dem Zeitpunkt, als das Selbernähen von Atemmasken in Mode kam, irgendwann so um den 17. März.

Erweitern wir diese Analyse also um einen wirtschaftlichen Aspekt und fragen nach, wie es sich mit dem Suchbegriff "Aktien verkaufen" verhält:

Suchanfragen in Deutschland der vergangenen 30 Tage im Vergleich: "Atemschutzmasken selber nähen" (blau) vs. "Urlaub Ostsee" (rot) vs. "Aktien verkaufen" (gelb)

Die Suchanfragen nach "Aktien verkaufen" mäandern so im mittleren Monat März ein wenig vor sich hin, es geht mal hoch und wieder runter, den höchsten Ausschlag hatte der Suchbegriff am Donnerstag, den 12. März, an ebenjenem Tag, als der DAX mehr als 13% seines Wertes verlor. Nun, wen wundert's. Seit einigen Tagen ist wieder etwas Ruhe eingekehrt, Siemens und SAP werden wohl doch nicht Pleite gehen. Und dass Adidas seine Miete am Kudamm nicht mehr zahlt, darum kümmert sich dann Inkasso Moskau.

Eine spannende Funktion in Trends ist jedoch die regionale Aufschlüsselung:

regionale Verteilung der Suchanfragen in Deutschland in den vergangenen 30 Tagen

Betrachten wir einmal die geografische Verteilung der Suchanfragen im Verlauf der letzten 30 Tage, so wird deutlich, WO man sich in Deutschland Gedanken machte über den Verkauf seiner Aktien, nämlich dort, wo sie gehalten werden: im Süden. Der gesamte Rest denkt, über die erste Hälfte des März verteilt, viel lieber über einen Ostseeurlaub nach. Oder vielleicht schauen wir hier auch tief hinab in des Deutschen Seele? Ein Riss, der dieses Land teilt. Und dieser Riss verläuft NICHT entlang der innerdeutschen Grenze, sondern vielmehr entlang der Nulllinie des Länderfinanzausgleichs.

Aber so richtig interessant wird es, wenn wir den Zeitraum auf die letzten 7 Tage, also seit dem 25. März 2020 eingrenzen:

regionale Verteilung der Suchanfragen in Deutschland in den vergangenen 7 Tagen

Ganz Deutschland denkt an Atemmasken. Ganz Deutschland? Nein. Es gibt da zwei Gebiete, irgendwo in der Mitte, zwischen Wäldern, da leben nur wenige, aber die denken ans Meer. Kann man ihnen wohl kaum vergällen, ist ja auch schön draußen! Und wohnt man selbst in Bitterfeld oder Greiz, so möchte man nur weg, sobald die Sonne scheint. Oder wie wollen wir diese Grafiken interpretieren? Vielleicht haben die Menschen in Thüringen und Sachsen-Anhalt auch nur ihren Luther im Blut, der einst noch sein Apfelbäumchen pflanzen wollte: "Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, so möchte ich das bitteschön in Zinnowitz erleben!"

Nun, wer von uns möchte gerade nicht gern ein bisschen in die Zukunft schauen können, nur ein winziges bisschen. So zwei, drei Wochen würden ja schon reichen...

(not so) Fun Fact: während sich in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen die Menschen Gedanken machen über "Atemschutzmasken" im Plural, sind deutschlandweit die meisten Anfragen nach "Atemschutzmaske selber nähen" (Singular) in Brandenburg. Hmm. Ist möglicherweise ein bisschen wie im Flugzeug: zuerst sich selbst und dann dem Nachbarn? Denken wir jetzt mal nichts Arges...