Weinwerk
Uiuiui, liebe Freunde, die Dinge überschlagen sich. Ursprünglich wollten wir doch Johann Gottfried Seume und seinem "Spaziergang nach Syrakus" ein kleines Andenken widmen. Es hätte so schön gepasst zu unsrer großen Weißwein-Sause in der nächsten Woche. 35 Weine und Sekte, beginnend an der Unstrut, der Herkunft Seumes, und endend auf Sizilien, dem Sehnsuchtsort. Und nun das:
In absehbarer Zeit ist es mal wieder so weit, Deutschland sucht eine/n neue/n Anführer*in. Bewerben können Sie sich bei uns im Geschäft. Und als umfänglicher Volldienstleister kümmern wir uns natürlich auch gern um das richtige Setting. Claqueure werden bereitgestellt, Schmähgedichte auch, Blumen und Getränke.
Und wo wir gerade dabei sind: Sollte die SPD eine Erinnerung an ihren Gründungsmythos benötigen, laden wir sie gern, idealerweise noch vor den Landtagswahlen, hierher nach Potsdam ein. Da wird über den Sommer ein sogenanntes "Festival" veranstaltet, Italien in Potsdam nennt es sich, und wir beneiden niemanden um den Job als Gralshüter des preußischen Minderwertigkeitskomplexes, dass es "Woanders immer besser" sei als daheim. Sind wir mal ehrlich, gäbe es dieses ganze Schlösser-Gedöns nicht in der Stadt, täte sich kaum einer für sie interessieren.
"Naja, man kann da gut paddeln...."
Denn wir dürfen ob der ganzen Schöööönheit der Stadt nicht vergessen, auf welcher Art Boden sie steht. Es ist Sumpfland. Und es war jener fundamental-christliche Reaktionär Friedrich Wilhelm IV, der den meisten italienisierenden Quatsch hier verzapft hat (und der in seinem Hang zur Staatsverschuldung und Ausbeutung der Untertanen seinem vielgerühmten Oheim Fritz in nichts nachstand). Heines "Wintermärchen" wurde in Preußen justament nach Erscheinen verboten, und der Haftbefehl gegen den Autor war vom Monarchen höchstselbst unterzeichnet; im selben Jahre 1844, in dem FW IV die Sacrower Heilands- und die Potsdamer Friedenskirche errichten ließ. Nun mag man ihm nachsehen, er sei ein Kind seiner Zeit gewesen, aber das waren Max Dortu und Karl Marx auch, und jene haben sich Gedanken gemacht. FW IV war kein guter Monarch, auch wenn er uns ein paar hübsche Fassaden hinterlassen hat. Und so wundert es den verständigen Geiste nicht, dass die Gründung der deutschen Sozialdemokratie in ebenjener Zeit sich vollzog, überall in deutschen Landen – nur in Potsdam nicht. Hier wurde lieber weiter exerziert und erschossen. "Üb immer treu und Redlichkeit" singt uns das Glockenspiel hoch im Kirchturm bald wieder. Im Augenblick steht es ja (Wortspiel: Gott sei Dank) noch ebenerdig und ist für Spaßvögel mit Bauschaum-Pistolen besser erreichbar. Aber so ist das wohl mit der Schönheit. Man lasse etwas Zeit verstreichen, dann fällt das Nicht-Erinnern leichter. Und so werden wir vielleicht auch noch erleben, dass irgendwer die Neue Reichskanzlei wieder aufgebaut sehen möchte, ob der "Klaren Monumentalität ihrer inneren und äußeren Struktur"...
Der zweite deutsche Staat, selbsternannt der "Bessere", zerfiel, als er nur noch sein eignes Denkmal ward. Die Träume sind geblieben. Aber wie Rio Reiser 1995 sang: "Träume verweh'n, wenn sie nicht wissen wo sie schlafen soll'n". Denn mit dem Zusammenbruch der DDR implodierte auch das bipolare westdeutsche Parteiensystem. Wichtiger als die erste Zeile ist daher vielleicht die Darauffolgende: "Wer von uns weiß, wer seine Freunde sind? Wenn ein neuer Tag kommt seh'n wir alle anders aus..." Fast könnte man meinen, er hätte ein Lied über die heutige SPD geschrieben.
Aber genug der Glosse nun. Wir beschließen hiermit, das Auswahlverfahren zu eröffnen und Ihre Bewerbungen zum König von Deutschland anzunehmen. Und weil wir wissen, dass es auch für uns leichter ist von Angesicht zu Angesicht, gibt es am 13. und 14. Juni 2019, jeweils von 18–22 Uhr zwei öffentliche Casting-Runden. Begleitet wird es von einer saftigen Auswahl frischer Weißweine und Sekte, viele alte Bekannte mit ihren neuen Weinen sind dabei, einiges Unbekanntes und manches Skurriles. Eintritt ist frei, und bei Bestellung gibt es 15% Rabatt auf den endgültigen Ladenpreis. Eine vorläufige Liste der Weine finden Sie hier, die endgültige Version mit Begleittext folgt in den kommenden Tagen. Wir bitten um eine kurze Anmeldung, an welchem der beiden Tage Sie erscheinen möchten.
zur Subskription am 13. und 14. Juni 2019
Bitte melden Sie sich telefonisch unter 0331-8871355 oder per Mail zur Subskription an!